Zwölf Jahre christliche Soldatenbetreuung im Camp Marmal
Am 29. Juni 2021 hoben per Flugzeug die letzten deutschen Soldatinnen und Soldaten vom Flughafen Mazar-e-Sharif im Norden Afghanistans ab. Damit beendeten sie den knapp 20 Jahre andauernden Bundeswehreinsatz in dem zentralasiatischen Binnenstaat. Für die Bundeswehr geht einer der längsten, aber vor allem der wohl prägendste Auslandseinsatz ihrer Geschichte zu Ende, in dem rund 160.000 Bundeswehrangehörige eingesetzt waren.
Die zwei Jahrzehnte andauernde Mission in dem Land am Hindukusch bedeutete für alle eingesetzten Frauen und Männer, sich für einen längeren Zeitraum in ungewohnter Situation zurecht zu finden, mit der missionsbedingten Bedrohungslage umzugehen, die Trennung von Familie und Freunden seelisch zu bewältigen sowie sich in einem unbekannten Sozialgefüge zurecht zu finden. Wie wohltuend war es in dieser außergewöhnlichen Belastungssituation, im Einsatz einen Ort der Ruhe, der Einkehr und Besinnung vorzufinden, der unabhängig vom jeweiligen Dienstgrad den zwischenmenschlichen Austausch mit Kameradinnen und Kameraden fördert.
Solche ‚OASEN im Einsatz‘ zu schaffen und sich mit konkreten Angeboten für die seelischen und leiblichen Bedürfnisse der Frauen und Männer einzusetzen, ist seit dem Jahr 1996 feststehendes Anliegen der ökumenischen Einsatzbetreuung der Evangelischen und Katholischen und Arbeitsgemeinschaften für Soldatenbetreuung (EAS/KAS). Um diese im nordafghanischen Camp Marmal zu verwirklichen, setzten sich beide Organisationen im Jahr 2006 intensiv für die Integration ebensolchen Betreuungseinrichtung in das damals in Planung befindliche Betreuungsatrium im Bundeswehr-Feldlagen ein. Besondere Herausforderung bildete dabei die zu dieser Zeit vorherrschende angespannte Sicherheitslage im Einsatzland und die damit geforderte besondere Schutzklassifizierung des Betreuungsgebäudes.
Doch nach intensiven Planungen und am 26. Oktober 2007 erfolgter Grundsteinlegung konnte die erste in Steinbauweise errichtete OASE im Rahmen einer ökumenischen Andacht am 17. Januar 2009 feierlich ihrem Bestimmungszweck übergeben werden. Von diesem Zeitpunkt an war die OASE zwölf Jahre für die Truppe vor Ort geöffnet und bot den Frauen und Männern im Einsatz ohne längere Schließungszeiten ein breit gefächertes Betreuungsportfolio. Beliebt und bekannt war die OASE sicherlich in erster Linie für das gute gastronomische Angebot. Ob Currywurst, Schnitzel oder Hamburger – über die Theke wanderten täglich bis zu 400 „Leibgerichte der Soldatinnen und Soldaten“. Auf Porzellangeschirr und an gemütlich gedeckten Tischen schmeckten diese dann besonders gut. Aber auch außergewöhnliche Aktionsangebote – wie der wöchentliche Brunch, saisonale Gerichte aus der heimatlichen Garnissonstadt oder lokaltypische afghanische Speisen – wurden von der Truppe gerne angenommen. Zentrales Anliegen der OASE war dabei immer die Förderung einer gemütlichen Atmosphäre, die neben der reinen Nahrungsaufnahme die Möglichkeit zum Austausch und zur Zerstreuung bot.
Mehr als ein Restaurant im Einsatz
Denn die OASE in Mazar-e-Sharif war mehr als ein reines Restaurant im Einsatz – sie war ein Ort der Heimat für alle deutschen Soldatinnen und Soldaten. In direkter räumlicher Nähe zu der Militärseelsorge und mit angegliederten Gruppen- und Fernsehräumen war die OASE für die Soldatinnen und Soldaten auch außerhalb der gastronomischen Öffnungszeiten rege genutzter Treffpunkt. Regelmäßig wurde dieses Betreuungszentrum inmitten des Bundeswehr-Camps auch für abwechslungsreiche Betreuungsangebote genutzt. Ob Skatturnier, gemeinsame Filmeabende, angeleitete Mal-Workshops oder sogar ein von der OASE-Einsatzbetreuung organisiertes Konzert mit Musikerinnen und Musikern aus der Heimat – in und um die Betreuungseinrichtung von EAS und KAS herum wurde viel geboten, um das Seelenheil der Soldatinnen und Soldaten im Einsatz positiv zu fördern.
Und auch die Militärseelsorge hatte in der OASE im Camp Marmal ihre Heimat gefunden. Nicht nur die räumliche Nähe, sondern vor allem die enge Verbundenheit zwischen den Organisationen trugen dazu bei, dass kleinere Andachten, Bibel- sowie Gebetsstunden und auch der Kirchenkaffee in der OASE seinen festen Platz besaßen.
Der Einsatz in Afghanistan wirkt nach
Auch wenn am 23. Juni 2021 mit der Schließung der OASE in Afghanistan eine für die Einsatzbetreuung von EAS und KAS prägende Zeit zu Ende ging, so werden die dort erworbenen Erfahrungen noch lange in die zukünftige Ausrichtung der Einsatzbetreuung unter christlicher Trägerschaft mit einfließen. Insbesondere der herausfordernde Einsatz in Afghanistan hat bestätigt, dass die einsatzbedingten Belastungen für Seele und Körper nicht unterschätzt werden dürfen. Um diese abzumildern und langfristig die psychische Unversehrtheit der eingesetzten Frauen und Männer sicherzustellen, sind insbesondere im Einsatz regenerationsfördernde Betreuungsangebote außerhalb militärischer Hierarchien von besonderer Bedeutung. Auch vor dem Hintergrund sich verändernder Einsatzszenarien mit kleineren Einsatzkontingenten und vermehrter Auftragsübernahme innerhalb von Bündnisoperationen intensivieren bei den eingesetzten Frauen und Männern das Bedürfnis nach individuellen Freiräumen in geschützter Umgebung.
Für EAS und KAS steht daher fest, ihr Engagement in den Einsatzgebieten der Bundeswehr weiter zu intensivieren und für die Frauen und Männer bedarfsgerecht konfessions- und dienstgradübergreifende Angebote zu implementieren. Zentrales Betreuungselement wir dabei weiterhin Schaffung von Räumen zur seelischen und körperlichen Regeneration sein, um so die psychische Gesundheit der Soldatinnen und Soldaten bereits ab dem ersten Tag im Einsatz zu fördern.
DIE OASE IN MAZAR-E-SHARIF IN ZALEN
26. Oktober 2007: Grundsteinlegung des Betreuungsatriums im Camp Marmal mit integrierter OASE-Betreuungseinrichtung | 17. Januar 2009: Feierliche Eröffnung der OASE im Camp Marmal im Rahmen einer ökumenischen Andacht der Militärseelsorge | 560 m² Grundfläche mit bis zu 170 Sitzplätzen in Räumen mit besonderer Schutzklasse | Leitung durch zwei Soldat:innen mit Unterstützung von max. 23 lokalen Mitarbeitenden | Logistik in Eigenverantwortung von EAS/KAS. Bis zu 190 Tonnen wurden pro Jahr aus Deutschland nach Afghanistan per Schiff und LKW transportiert. | 23. Juni 2021: Letzter Öffnungstag der OASE-Betreuungseinrichtung in Mazar-e-Sharif