Glaube, Zweifel, Gewissen – wie ich als Militärbischof nach Antworten suche

Berlin, 6. Juni 2019 – Früher demonstrierte er als Fundamentalpazifist gegen den Nato-Doppelbeschluss. Der Völkermord in Ruanda brachte ihn dazu, seine Überzeugungen grundsätzlich in Frage zu stellen. In seinem Buch „Können Kriege gerecht sein?“ ergreift der Evangelische Militärbischof Dr. Sigurd Rink Partei für die Streitkräfte und plädiert für eine verstärkte Friedens- und Militärethik, die sich künftig intensiv mit autonomen Waffen und der zunehmenden Digitalisierung im Militär auseinandersetzen müsse.

Im Beisein der Bundesministerin der Verteidigung Dr. Ursula von der Leyen stellte Rink am gestrigen Nachmittag sein neues Buch „Können Kriege gerecht sein? Glaube, Zweifel, Gewissen – wie ich als Militärbischof nach Antworten suche“ vor.

Bei der Buchvorstellung im Tagungszentrum im Haus der Bundespressekonferenz äußerte er sein Bedauern darüber, dass deutsche Soldaten als Individuen nicht den Respekt und die Anerkennung bekämen, die sie für ihre Aufgaben verdienten.

In seiner Einleitung schreibt der Theologe, dass die Deutschen Meister der Ausblendung sind. „Mit Tod und Krankheit wollen wir möglichst nichts zu tun haben. Genauso wenig mit Gewalt und Krieg, weswegen uns die Polizei nicht ganz geheuer ist und erst recht nicht das Militär.“ In einer „noch nicht erlösten Welt“ gehöre das aber zur Realität und sei zwangsläufig Gegenstand politischer Entscheidungen. Was hinter einem Kasernentor oder gar in einem Camp der Bundeswehr in Mali passiere, das wolle niemand so genau wissen.

In seinem Buch setzt sich Rink mit den wichtigsten ethischen und humanistischen Aspekten eines Militäreinsatzes auseinander, die sich im Kern immer um eine Frage drehen: Kann es überhaupt einen gerechten oder zumindest gerechtfertigten Krieg geben? Deutsche Auslandseinsätze seien nur vertretbar, wenn sie dem Frieden dienten. Krieg sei ein absolutes Versagen der Politik, schreibt Rink. Das christliche Gebot „Du sollst nicht töten!“ habe Gültigkeit, aber es gelte eben auch: „Du sollst nicht morden lassen“, wie das der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland Wolfgang Huber einmal formuliert habe. Bei der Verfolgung der Jesiden im Irak oder beim Genozid in Ruanda sei die Völkergemeinschaft zu spät oder nicht eingeschritten. Es sei in manchen Situationen nötig, mit rechtserzwingender Gewalt dem Morden Einhalt zu gebieten und damit größeres Leid zu verhindern. Das Prinzip der Schutzverantwortung in den deutschen Militäreinsätzen nennt er eine ethische Herausforderung.

Rink, der alle 13 Auslandseinsätze der Bundeswehr besucht hat, wisse wie gefährlich und seelisch belastend ein Militäreinsatz ist und sieht die moralische Herausforderung, mit der die Soldaten, aber auch die Seelsorger konfrontiert werden. In seinem durchaus unbequemen Buch würdigt er die Seelsorger in den Streitkräften: Das strikte Seelsorge- und Beichtgeheimnis sowie ihre unabhängige Stellung in der militärischen Hierarchie schaffe ein einzigartiges Vertrauen. Die Betreuung werde stark in Anspruch genommen.